Nein, eine MS ist nicht ansteckend. Aus der immer wieder geäußerten Vermutung, dass Viren an der Entstehung beteiligt sein könnten und auch der allgemeinen Einordnung der MS als entzündliche Erkrankung wird manchmal die zunächst verständliche Sorge abgeleitet, man könne sich möglicherweise bei einem Kranken anstecken. Für diese Befürchtung gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
Wenn überhaupt Viren oder andere Erreger bei der MS-Entstehung eine Rolle spielen, dann sicherlich nicht so, dass die Betroffenen diese zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung ausscheiden oder auf andere Menschen übertragen können. Es ist allenfalls denkbar, dass bei der MS eine viele Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung abgelaufene Infektion insofern ein Glied in einer langen Kette von Krankheitsursachen sein könnte, als derartige Infektionen die später ablaufenden immunologischen Vorgänge am Nervensystem begünstigen. Für diese Möglichkeit spricht ein überzufallig häufiger Nachweis früher stattgehabter Infektionen mit bestimmten Herpesviren (humanes Herpesvirus 6), dem so genannten Epstein-Barr-Virus oder auch Bakterien wie Campylobacter oder Chlamydia pneumoniae. Diese Nachweise sind auch jahre später durch Blutuntersuchungen mit Bestimmung von Antikörpern möglich. Darüber hinaus können Infektionen im Verlauf einer MS zum Beispiel eine Rolle bei der Auslösung von Krankheitsschüben spielen.
Ganz offensichtlich geht auch ein langjähriger und intensiver Umgang mit MS-Kranken nicht mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko einher. Dies zeigt sich beispielsweise bei Ärzten und Pflegepersonal neurologischer Kliniken oder auch an der Tatsache, dass nur wenige Einzelfalle bekannt sind, wo zuvor gesunde Ehepartner ebenfalls eine MS entwickelt haben. Aus all dem folgt, dass keinerlei Grund zur Besorgnis besteht, mit einem an MS Erkrankten wie mit jedem anderen Menschen umzugehen. Demnach brauchen sich auch EItern keine Sorgen zu machen, wenn sich ihre Kinder bei einer Familie aufhalten, in der jemand eine MS hat. Sämtliche derzeit bekannten Erreger von Kinderkrankheiten oder anderen ansteckenden Erkrankungen kommen als direkte Ursache einer MS nicht infrage. Auch die Beobachtungen an den MS-Erkrankungen auf den Färöer-Inseln sprechen nicht für einen einfachen Infektionsweg. Die dort abgeleitete »Infektionshypothese« ist nur gültig, wenn ein jahrelanger Kontakt im Vorfeld der Erkrankung stattgefunden hatte, der zudem auch nur dann wirksam werden konnte, wenn nie von der Krankheit betroffene, gesunde Menschen als »Krankheitsüberträger« in Betracht kommen.