Gefühlsstörungen werden meistens als Taubheitsgefühl, kribbelnde Missempfindungen (Parästhesien) in Form von »Ameisenlaufen« oder auch nur als »komisches« Gefühl geschildert. Beispiele dafür sind Empfindungen, als ob Handschuhe getragen würden oder Watte unter den Fußsohlen sei, als ob ein Band, Gürtel oder auch »Panzer« um den Brustkorb, den Bauch oder einen Arm beziehungsweise ein Bein getragen werde. Die betroffenen Körperabschnitte können »wie unter Strom«, »wie eingeschlafen« oder »abgestorben« sein; manchmal werden auch ungewöhnliche Wärme- oder Kältewahrnehmungen angegeben. Berührungsreize können als unangenehm (Dysästhesie) oder schwache Reize als schmerzhaft (Hyperpathie) empfunden werden.

Die Gefühlsstörungen treten meistens in Armen oder Beinen auf, während sie am Rumpf und im Gesicht seltener sind. Bei der ärztlichen Untersuchung lassen sie sich nicht immer durch genau abgrenzbare Hautbezirke mit herabgesetzter Berührungs- oder Schmerzempfindung »fassen«, Gleichzeitig werden häufiger Befunde erhoben, für die die Betroffenen keine entsprechenden Klagen geäußert hatten. Dies betrifft insbesondere das so genannte Vibrationsempfinden und den so genannten Lagesinn; daneben kann auch die so genannte Graphästhesie gestört sein.

Als Vibrationsempfinden wird die Fähigkeit bezeichnet, mit geschlossenen Augen die Schwingungen zum Beispiel einer Stimmgabel wahrzunehmen, die auf Knochen (z. B. Fußknöchel) aufgesetzt wird. Die Angabe des Messwertes erfolgt als Bruchteil einer auf der Stimmgabel ablesbaren achtstufigen Skala mit Werten zwischen 0/8 (= erloschener Vibrationssinn) bis 8/8. Werte zwischen 6/8 und 8/8 gelten als normal, 1/8 bis 5/8 als vermindert.

Als Lagesinn wird die Fähigkeit bezeichnet, mit geschlossenen Augen feine Bewegungen zum Beispiel der Finger und Zehen oder der Gelenkstellung wahrzunehmen. Dazu nimmt der Arzt einen Finger oder eine Zehe zwischen zwei seiner Finger und bewegt sie leicht nach oben oder unten. Gleichzeitig werden die Betroffenen gefragt, wohin der Finger oder die Zehe bewegt wurden; dies wird an beiden Händen und Füßen mehrfach wiederholt.

Als Graphästhesie wird die Fähigkeit bezeichnet, auf die Haut geschriebene Zahlen oder Buchstaben mit geschlossenen Augen zu erkennen. Dazu nimmt der Arzt zum Beispiel ein Holzstäbchen und fährt damit über den Unterarm oder den Unterschenkel der Betroffenen, als ob er Zahlen zwischen »0« und »9« schreiben würde. Dabei fragt er jedesmal nach der Zahl undü berprüft, wie viele richtig erkannt werden.

Durch eine vorübergehende deutliche Beeinträchtigung des Vibrations- und Lagesinns kann es bei einer MS gelegentlich trotz vergleichsweise nur sehr geringer Lähmungserscheinungen zu einer weit gehenden Gebrauchsunfähigkeit einer Hand kommen. Meist ist nur eine Hand betroffen, und die Störungen bilden sich im Verlauf von einigen Wochen oder Monaten zumindest teilweise wieder zurück.