Während Gang- und Gleichgewichtsstörungen zu Beginn einer MS nach Gefühlsstörungen nur an zweiter Stelle stehen, sind sie im Verlauf der Krankheit insgesamt am häufigsten. Gangstörungen können auf einer Schwäche oder »Steifigkeit« der Beine, auf Gleichgewichtsstörungen oder einer Kombination dieser Störungen beruhen. Den Betroffenen fällt oft als Erstes eine Ungeschicklichkeit auf, die sich auf die Arme oder Beine bezieht, im letzteren Fall meist als unsicherer, schwankender Gang. Im späteren Verlauf einer MS treten Gang- und Gleichgewichtsstörungen selten als einziges Krankheitszeichen auf, sondern sind meist mit anderen Beschwerden wie Gefühlsstörungen oder Lähmungen vergesellschaftet. Gleichgewichtsstörungen werden oft als Unsicherheit oder Schwindelgefühl geschildert.
MS-Kranke klagen öfters über eine allgemeine Gangunsicherheit als über eine Fallneigung in eine bestimmte Richtung, die typischerweise bei umschriebenen Schädigungen des Kleinhirns zu beobachten ist. In der medizinischen Fachsprache wird eine Unsicherheit bei der Körperhaltung und bei Bewegungen als Ataxie bezeichnet. Eine Ataxie kann schon im Sitzen zu beobachten sein (= Rumpfataxie), sich im Stehen bemerkbar machen (= Standataxie) oder bei praktisch allen Bewegungen deutlich werden (= Zeigeataxie oder Gangataxie). Bei einer Gangataxie werden die Füße in Art eines »Seemannsgangs« beim Gehen weit auseinander gesetzt, um eine Fallneigung zur Seite möglichst gering zu halten. Im Gegensatz zu Lähmungen geht die Bewegungsunsicherheit bei einer Ataxie nicht auf eine Schwäche der Muskulatur zurück, sondern auf ein gestörtes Zusammenspiel.
Unwillkürliche »Zitter«-Bewegungen der Hände, Arme, Beine oder auch des Kopfes werden in der Fachsprache als Tremor bezeichnet. Bei der MS kann es zu unterschiedlichen Formen kommen, meist zu einem relativ langsamen, bei Zielbewegungen und Aufregung zunehmendem Tremor. Unsichere Zielbewegungen der Arme oder Beine werden in der medizinischen Fachsprache als Dysmetrie bezeichnet. Im Alltag gelingt es beispielsweise nicht mehr, einen Faden in ein Nadelöhr einzufädeln oder beim Greifen nach einem Gegenstand wird dieser nicht richtig angefasst und rutscht aus der Hand. Wenn es beispielsweise in einem Arm gleichzeitig zu einer Ataxie, einem stärkeren Tremor und einer Dysmetrie kommt, ist die Gebrauchsfähigkeit im Alltag stark eingeschränkt.