Normalerweise sieht jedes Auge bei intaktem Sehvermögen ein eigenes Bild in seiner Blickrichtung,sodass zwei verschiedene Bilder an das Sehzentrum des Gehirns weitergeleitet werden. Dies kann man leicht nachvollziehen, wenn man einen Gegenstand anschaut und abwechselnd ein Auge schließt. Es erscheinen dann zwei Bilder, die geringfügig gegeneinander versetzt sind. Schaut man dagegen wie üblich mit beiden Augen, so sieht man auch nur ein Bild, welches uns zudem den Eindruck von Abstandswahrnehmung der Gegenstände vermittelt. Dies entsteht durch die Fähigkeit des Sehzentrums im Hinterhauptslappen, die bei den gering unterschiedlichen Bilder von beiden Augen zu einem Bild zu vereinigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Augenmuskeln beide Augäpfel so parallel ansteuern, dass die Unterschiede beider Bilder, egal in welche Richtung man blickt, ein gewisses Maß nicht überschreiten. In diesem Fall spricht man von einer »konjugierten Augenbewegung«. Die hierfür notwendige Steuerung der Augenmuskeln wird von einem komplizierten Bahnensystem im Hirnstamm gewährleistet. Betrifft ein MS-Herd dieses Bahnensystem, so werden die beiden Augen nicht mehr parallel zueinander (konjugiert) bewegt. Als Folge davon kann das Sehzentrum die unterschiedlichen Bilder nicht mehr zur Deckung bringen und man sieht doppelt, wobei die Doppelbilder je nach Schädigung nebeneinander, übereinander oder schräg versetzt sein können. Bei leichten Fällen wird nur über Doppelbilder geklagt, während bei ausgeprägteren der Arzt bei der Augenuntersuchung zusätzlich eine Fehlstellung der Augen findet.
Besonders typisch sind nebeneinander stehende Doppelbilder bei Seitwärtsblick, die dadurch entstehen, dass das zur Nase gerichtete Auge in der Mitte stehen bleibt. Dabei tritt meistens besonders auf dem anderen Auge ein Zittern (Nystagmus) auf. In der medizinischen Fachsprache wird dies als internukleäre Ophthalmoplegie oder kurz INO bezeichnet. Der Grund für das Auftreten dieser Doppelbilder ist die Lage der zuständigen Nervenbahnen in der Nähe der vierten Hirnkammer, wo sich besonders häufig MS-Herde entwickeln. Grundsätzlich können jedoch für Doppelbilder bei einer MS auch andere, sehr komplizierte Augenbewegungsstörungen verantwortlich sein, die es selbst dem Fachmann schwierig machen, exakt die Lage der Schädigung festzulegen.
Eine Störung der Augenbewegungen kann jedoch bei einzelnen Patienten ganz verschiedene Beschwerden hervorrufen. Verbunden mit einem Nystagmus klagen einige über ein unscharfes Sehen. Andere wiederum sind in der Weise gestört, dass die Doppelbilder eine Unsicherheit beim Stehen und Gehen hervorrufen und über Schwindel geklagt wird.