Blasenentleerungsstörungen sind zu Beginn einer MS zwar selten, treten im Verlauf aber etwa bei 80 Prozent der Betroffenen auf und bleiben bei jedem Zweiten bestehen. Obwohl es nicht immer ohne weiteres möglich ist, genau festzulegen, ob eine Störung im Gehirn oder im Rückenmark zugrunde liegt, ist meist eine Störung im Rückenmark verantwortlich. Leider werden die Blasenentleerungsstörungen oft nur unzureichend untersucht und abgeklärt, was häufig zu einer falschen und wirkungslosen Behandlung führt.
Die Gesamtheit der Blasenwandmuskulatur wird in der Fachsprache als Detrusor (vesicae) und der Schließmuskel als Sphinkter (vesicae) bezeichnet. Beim Schließmuskel ist zusätzlich zwischen einem inneren und äußeren Anteil zu unterscheiden. Während der innere Anteil ebenso wie die Blasenwand aus unwillkürlicher, »glatter« Muskulatur besteht, ist der äußere Schließmuskel aus »quergestreiften«, der willkürlichen Kontrolle unterliegenden Fasern zusammengesetzt. Die normale Funktion der Blase mit Füllung und Entleerung setzt ein ungestörtes Zusammenspiel zwischen dem autonomen sowie somatischen (peripheren sowie zentralen) Nervensystem voraus. Die Blasenwandmuskulatur wird vom autonomen Nervensystem mit sympathischen Fasern und parasympathischen Fasern versorgt, die eine jeweils gegenteilige Wirkung entfalten. Im Gehirn gibt es so genannte Zentren für die Blasenentleerung, von denen das wichtigste im Hirnstamm in der so genannten Brücke (Pons) liegt. Zusätzlich erfolgt eine Kontrolle vom Stirnhirn und Zwischenhirn aus. Ursache von Blasenentleerungsstörungen können also sowohl MS-Läsionen im Gehirn als auch im Verlauf des gesamten Rückenmarks sein.
Die zunehmende Füllung der Harnblase mit Urin erfolgt bis zu einer Menge von ungefähr 200 Milliliter (einem fünftel Liter) langsam und unbemerkt, ehe es zu einem reflektorischen Zusammenziehen der Blasenmuskulatur und einem damit verbundenen Harndrang oder Wunsch kommt Wasser zu lassen. Dabei bewirkt eine (unbewusste) vermehrte Aktivität der parasympathischen autonomen Nervenfasern gleichzeitig eine Anspannung der Blasenwandmuskulatur und Entspannung des inneren Schließmuskels. Die für eine Entleerung der Blase zusätzlich erforderliche Entspannung des äußeren, willkürlich kontrollierten Schließmuskels erfolgt normalerweise dann, wenn man auf der Toilette ist beziehungsweise den Harn entleeren kann.
Die Störungen der Blasenentleerung bei einer MS werden unter dem Begriff »neurogene Blasenstörung« zusammengefasst und können in den folgenden drei Grundformen auftreten, von denen die erste Form zwei Unterformen hat:
1. Störung, den Urin einzuhalten. Diese bei einer MS häufigste Blasenentleerungsstörung beruht auf einer Störung des unwillkürlichen Detrusormuskels, sich bis zu der oben genannten »kritischen« Füllmenge von etwa 200 Milliliter zu entspannen. Entsprechend kommt es zu einer übermäßig angespannt-verkrampften, kleinen »spastischen« Harnblase, die vermehrt reizbar ist und schon bei sehr kleinen Urinmengen Harndrang hervorruft. Gleichzeitig kann der teilweise willkürlich kontrollierte Schließmuskel entweder ebenfalls vermehrt angespannt beziehungsweise hyperaktiv oder aber normal beziehungsweise sogar geschwächt sein. Die erste dieser beiden Möglichkeiten (und häufigste Form einer Blasenentleerungsstörung bei MS) heißt in der Fachsprache »Detrusorhyperreflexie mit Sphinkter-Dyssynergie«, die zweite »Detrusorhyperreflexie ohne Sphinkter-Dyssynergie«. Beschwerden der Betroffenen können neben einem häufigen, heftigen Harndrang (auch in der Nacht) unter Umständen auch in einem unwillkürlichen Urinabgang (Inkontinenz) bestehen. Auch nach Entfernung eines lange Zeit vorhandenen Dauerkatheters kann es aufgrund einer Schädigung des so genannten Blasenhalses beziehungsweise des Schließmuskels durch den Katheter zu dieser Form der Blasenentleerung kommen.
2. Störung, den Urin zu entleeren. Dies beruht auf einer spannungslosschlaffen, großen »atonen Blase. Der unwillkürliche Detrusormuskel ist schwach und sein ungenügendes Zusammenziehen bewirkt, dass sich abnorm große Urinmengen anreichern, die bei Überdehnung als so genannte Überlaufblase ebenfalls zur Inkontinenz führen.
3. Störung, den Urin sowohl einzuhalten als auch zu entleeren. Die Kombination beider Formen beruht meist auf einer gestörten Zusammenarbeit der Muskeln, die für das Öffnen und Schließen der Blase zuständig sind. Auch hier sind die Urinmengen in der Blase meist überdurchschnittlich groß und es besteht ein erhöhtes Risiko, dass der Urin über die Harnleiter zurück bis zu den Nieren fließt und dort zu gefährlichen Entzündungen führen kann.
Bei Blasenentleerungsstörungen sollte zur sicheren Erkennung der vorliegenden Form und vor Einleitung einer medikamentösen Therapie im Zweifelsfall immer eine urologische Untersuchung mit Blasendruckmessung erfolgen. Außerdem sollte auch immer zum Ausschluss einer bakteriellen Harnwegsentzündung eine entsprechende Untersuchung des Urins erfolgen. Viele neurogene Blasenentleerungsstörungen gehen mit der Bildung von Restharn einher, also nach willkürlicher Entleerung in der Blase verbleibendem Urin. Große Restharnmengen überdehnen die Blase und erhöhen das Risiko von Entzündungen der Harnwege, und oft sind wiederholte Blasenentzündungen Hinweis auf eine bisher nicht bemerkte Entleerungsstörung. Der Restharn nach einer willkürlichen Blasenentleerung kann entweder durch Ultraschall oder durch Einführen eines dünnen Schlauches in die Harnblase (Katheterisieren) bestimmt werden.
Bei Blasenentleerungsstörungen sollte zur sicheren Erkennung der vorliegenden Form und vor Einleitung einer medikamentösen Therapie im Zweifelsfall immer eine urologische Untersuchung mit Blasendruckmessung erfolgen. Außerdem sollte auch immer zum Ausschluss einer bakteriellen Harnwegsentzündung eine entsprechende Untersuchung des Urins erfolgen. Viele neurogene Blasenentleerungsstörungen gehen mit der Bildung von Restharn einher, also nach willkürlicher Entleerung in der Blase verbleibendem Urin. Große Restharnmengen überdehnen die Blase und erhöhen das Risiko von Entzündungen der Harnwege, und oft sind wiederholte Blasenentzündungen Hinweis auf eine bisher nicht bemerkte Entleerungsstörung. Der Restharn nach einer willkürlichen Blasenentleerung kann entweder durch Ultraschall oder durch Einführen eines dünnen Schlauches in die Harnblase (Katheterisieren) bestimmt werden.