Weil das Zentralnervensystem für die Sexualität eine wesentliche Rolle spielt, kann eine MS auch zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Leider wird darüber in der Regel kaum gesprochen und von ärztlicher Seite auch zu wenig nachgefragt. Von Männern mit MS haben immerhin etwa 75 Prozent und von betroffenen Frauen etwa 50 Prozent sexuelle Störungen. Die Ursachen können entweder unmittelbare (primäre) oder mittelbare (sekundäre) körperliche Störungen oder aber psychische Störungen sein .
Körperlich sind sexuelle Störungen bei MS vor allem auf Funktionsstörungen des Rückenmarks zurückzuführen. Wenn MS-Betroffene unter Störungen der Bewegung oder der Gefühlsempfindung im Bereich von Unterleib oder Beinen beziehungsweise Blasenstörungen leiden, sind häufiger auch die Sexualfunktionen beeinträchtigt.
Nach manchen Untersuchungen geben sogar bis zu 90 Prozent der männlichen und 80 Prozent der weiblichen MS-Betroffenen krankheitsbedingte Veränderungen der Sexualität an. Allerdings ist bekannt, dass sexuelle Störungen auch bei Gesunden recht häufig sind und keine körperlichen Ursachen haben müssen. Auch bei der MS scheint es so zu sein, dass viele Störungen in diesem Bereich eher psychisch bedingt sind. So schätzen manche MS-Betroffene sich selbst häufig nicht mehr als sexuell attraktiv ein oder gesunde Partner befürchten, der Geschlechtsverkehr sei für Kranke schmerzhaft oder zumindest unangenehm.
Störungen der Erektion und Ejakulation beim Mann, Beeinträchtigungen der Orgasmusfähigkeit bei der Frau oder schmerzhafte Muskelverspannungen aufgrund einer Spastik können sehr unangenehm sein und erfordern immer das Verständnis des gesunden Partners. Ansonsten können Minderwertigkeitsgefühle leicht zu einer Gefährdung der Partnerschaft führen. Da stabile Partnerschaften jedoch nicht ausschließlich auf Sexualität aufgebaut sind und Sexualstörungen bei MS-Betroffenen nicht immer bleibend sind, können meist Lösungswege gefunden werden. Dazu ist es erforderlich, dass die Probleme zwischen den Partnern angesprochen werden, beide darauf eingehen und bei Bedarf auch den Mut haben, über Sexualstörungen mit ihrem Arzt zu reden. Wie bei anderen Partnerschaftsproblemen wird auch hier ein Schweigen beziehungsweise Verschweigen Probleme auf Dauer nicht lösen, sondern vergrößern.