Eine früher vermutete charakteristische psychische Veränderung bei MS gibt es nicht. Es kann zwar bei fortgeschrittener und schwer verlaufender MS als Ausdruck einer ausgedehnten Schädigung des Gehirns zu einer im krassen Gegensatz zur Schwere der Behinderung stehenden Kritiklosigkeit und euphorischen Grundstimmung oder auch einer Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit kommen, doch ist dies keineswegs zwangsläufig und insgesamt eher die Ausnahme als die Regel. Außerdem ist eine solche Kritiklosigkeit keine Besonderheit der MS, sondern kann in gleicher Weise auch bei anderen schweren Schädigungen des Gehirns beobachtet werden.

Bei einer MS treten meist schon beim erstmaligen Auseinandersetzen mit der Krankheit psychische Probleme auf. Unter Umständen breiten sich zunächst Angst und Panik aus, und viele Betroffene fühlen sich vom Arzt, manche zusätzlich von ihren Angehörigen allein gelassen. Zukunftsperspektiven können düster werden. Im weiteren Verlauf können harmlose Schwankungen im Krankheitsprozess überbewertet werden, sodass ein Teufelskreis zur Isolation führen und auch neue Beschwerden ohne körperliche Grundlage hervorrufen kann. Eine MS kann dann zum Wegbereiter psychosomatischer Beschwerden werden, die in ihrem Ausmaß die organische Erkrankung übertreffen und einer speziellen Behandlung bedürfen.

Eine MS kann wie viele andere chronische körperliche Krankheiten zumindest vorübergehend zu einer psychischen Verunsicherung der Betroffenen führen. Dies trifft bei der MS wie bei anderen Krankheiten des Nervensystems zu, die oft auch deswegen als besonders »unheimlich« empfunden werden, weil mit dem Gehirn gewissermaßen das Kontrollorgan für das Denken und Handeln beteiligt ist. MS-Betroffene durchlaufen oft mehrere Phasen einer psychischen Auseinandersetzung mit ihrer Krankheit.

Nach anfänglicher Ablehnung der Diagnose mit Tendenz zu Verdrängung und Vergessen kommt es schließlich nach Monaten bis Jahren zum allmählichen Akzeptieren. Insgesamt kommt es bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen im Verlauf zu einer oft auch behandlungsbedürftigen Depression, und die Selbsttötungsrate ist bei MS im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung um mehr als das Siebenfache erhöht.

Es gibt Selbsthilfegruppen für MS-Betroffene, in denen Erfahrungen und Probleme mit anderen besprochen sowie Rat und Hilfe eingeholt werden können. Entsprechende Adressen kann man bei den Multiple-Sklerose-Gesellschaften erfahren.