Bei etwa 20 Prozent der MS-Betroffenen geht die Erkrankung von Anfang an mit langsam zunehmenden Beschwerden einher, langfristig ist bei 80 Prozent damit zu rechnen. Dies bedeutet, dass es bei 60 Prozent nach einem schubförmigen Beginn es innerhalb von höchstens zehn Jahren zu einem Übergang in eine (sekundär) chronisch-progrediente Verlaufsform kommt. Es kann dabei entweder zumindest anfänglich zusätzlich zu Schüben mit aufgesetzten Verschlimmerungen und nachfolgenden unvollständigen Erholungen oder im Laufe der Zeit zu einer allmählich (chronisch) zunehmenden und insgesamt stetigen (progredienten) Verschlechterung ohne zusätzliche Schübe und allenfalls leichten vorübergehenden Besserungen kommen. Eine primär chronisch-progrediente Verlaufsform findet sich am häufigsten bei einem Erkrankungsbeginn jenseits des 40. Lebensjahres und die Störungen betreffen besonders das Gehen und die Kraft. Die langsame Verschlechterung bedeutet meist auch einen ungünstigeren Verlauf und die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten sind zumindest derzeit noch deutlich schlechter als bei schubförmigen Verläufen.
Auch die Diagnosestellung ist zumindest bei primär chronisch-progredienten Verläufen schwieriger als bei schubförmigen. Besonders im mittleren und höheren Lebensalter kommen bei langsam zunehmenden Störungen zahlreiche andere Ursachen infrage. Dies bedeutet oft auch aufwändigere Untersuchungen, und die Diagnose MS kann zu Beginn noch unsicherer sein als bei jungen Betroffenen. Auf keinen Fall sollte voreilig eine MS diagnostiziert werden, da sonst Erkrankungen übersehen werden können, die ganz anders behandelt werden müssen.
Ein Beispiel für solche Erkrankungen sind zum Beispiel Tumoren im Bereich des Rückenmarkkanals, die parallel zu ihrem Wachstum über Jahre hinweg langsam zunehmende Beschwerden wie Lähmungen oder Gefühlsstörungen in den Beinen oder auch Armen und zum Beispiel auch Blasenentleerungsstörungen verursachen können. Wie bei jedem Tumor hängen die Erfolgsaussichten einer operativen Behandlung ganz wesentlich von einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung ab, weshalb erfahrene Ärzte stets an diese Möglichkeit denken.