Auch erfahrene Ärzte können zurzeit nicht mit Sicherheit vorhersagen, wie der weitere Verlauf bei einem MS-Betroffenen sein wird. Es ist jedoch eindeutig falsch, wenn die Diagnose einer MS nach wie vor häufig mit einem baldigen Leben im Rollstuhl gleichgesetzt wird. Tatsächlich ist damit nur bei einem kleineren Teil der Betroffenen zu rechnen. Nahezu die Hälfte kann auf lange Sicht mit einem günstigen Verlauf ohne schwerwiegende Beeinträchtigungen rechnen, und nur ein Teil der anderen Hälfte benötigt im Verlauf ihrer Krankheit einen Rollstuhl. Viele Menschen sehen einen Rollstuhl auch allzu einseitig nur als Ausdruck von Schwäche oder Abhängigkeit. Für Betroffene mit ausgeprägten Gehbehinderungen kann ein Rollstuhl auch ein Mittel zu größerer Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit sein!

Im Einzelfall und vor allem zu Beginn der Krankheit ist unklar, wie es weitergehen wird. Bislang gibt es weder für die Betroffenen noch für die behandelnden Ärzte eine Möglichkeit vorherzusagen, ob es überhaupt und wann es in der Zukunft zu neuen Beschwerden kommen wird. Manche Menschen neigen dazu, stets das Schlimmste zu befürchten. Andere ziehen es vor, nicht allzu viel über mögliche Probleme nachzudenken und optimistisch zu bleiben. Welche Betrachtungsweise zwischen diesen Extremen Betroffene wählen, hängt auch davon ab, wie sie mit ihrer Krankheit umzugehen lernen und welche Hilfe ihnen angeboten wird.

Häufig heißt es, dass die ersten zwei bis drei Jahre nach Feststellung einer MS »über das Schicksal des Patienten entscheiden«. Im Großen und Ganzen geht es Betroffenen mit vielen Schüben zu Beginn ihrer MS auf lange Sicht meist schlechter als Betroffenen mit jahrelangen Abständen zwischen ihren Schüben, besonders dann, wenn die Schübe lang dauern und mit Lähmungserscheinungen beziehungsweise einer Kraftlosigkeit oder Gang- und Gleichgewichtsstörungen einhergehen. Dies trifft aber nicht auf alle MS-Erkrankungen zu und auch nach einem über viele Jahre »gutartigen« Verlauf ohne bleibende Störungen ist nicht auszuschließen, dass es später zu einer Verschlechterung mit dauernder Behinderung kommt. Umgekehrt sind außer bei fortgeschrittenen chronisch-progredienten Verlaufsformen zumindest teilweise Besserungen (Remissionen) möglich, die über Monate oder Jahre anhalten können. Insgesamt sind Remissionen allerdings in den ersten Jahren einer MS-Erkrankung und bei schubförmigem Verlauf deutlich häufiger als später und bei chronisch-progredientem Verlauf.