Wie schon an anderer Stelle erwähnt, sind die genauen Vorgänge, die zur Auslösung von MS-Schüben führen, noch weitgehend unbekannt. Allerdings weiß man aus Erfahrung, dass eine Reihe von Einflüssen und Faktoren Schübe auslösen oder zu einer Zunahme von Behinderungen führen können.

An erster Stelle sind hier Infektionen (Entzündungen) und dabei wiederum besonders Virusinfekte zu nennen. Diese führen im Körper zu einer Aktivierung vieler Immunzellen, die ihren Ruhezustand aufgeben und vermehrt in den Blutkreislauf übertreten. Dabei können manche von ihnen durch die bei derartigen Infekten etwas durchlässiger werdende Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn und Rückenmark übertreten und entzündliche Vorgänge anfachen oder verstärken.

Eine meist vorübergehende Verschlechterung bestehender Störungen im Sinn von Pseudoschüben ist unter anderem durch körperliche und psychische Extrembelastungen möglich. Bei den körperlichen Einflüssen sind in dieser Hinsicht unter anderem außergewöhnlich hohe Temperaturen durch Aufenthalt in entsprechendem Klima oder Fieber, manche Impfungen, Verletzungen des Nervensystems und fast alle sonstigen Organerkrankungen (z. B. Anämie, Nieren- oder Leberkrankheiten) beschrieben worden. Auch schwere Unfallverletzungen oder lang dauernde körperliche Anstrengungen und Beeinträchtigungen können Schübe auslösen. Schließlich ist bekannt, dass es bei Frauen in den ersten Monaten nach einer Schwangerschaft zu einer erhöhten Schubrate kommen kann.

Bei der MS gibt es wie bei fast allen anderen Krankheiten auch Hinweise auf eine gewisse Wechselwirkung zwischen der körperlichen und psychischen Verfassung von Betroffenen. Gelingt es beispielsweise, die psychische Situation bei entsprechenden Störungen günstig zu beeinflussen, bessert sich oft auch der körperliche Zustand. Umgekehrt kann eine psychisch belastende Situation eine Verschlechterung des körperlichen Befundes auslösen.

Von einigen Einflüssen ist außerdem bekannt, dass sie nicht unbedingt einen MS-Schub auslösen, aber zu einer kurz dauernden Zunahme beziehungsweise einem Auftreten von Krankheitszeichen im Sinn eines Pseudoschubs führen können. Typisches Beispiel ist ein heißes Bad, das häufig zu einer dramatischen, sich aber rasch und vollständig zurückbildenden Verschlechterung führt. Dieser Umstand begründet auch, warum sich manche Betroffene im Winter wohler fühlen als im Sommer. Ein weiteres Beispiel ist schnelles und vertieftes Atmen (Hyperventilation).

Der fehlenden Kenntnis der genauen Ursache von MS-Schüben wurde in Deutschland im sozialen Entschädigungsrecht insofern Rechnung getragen, als Extrembelastungen bei enger zeitlicher Beziehung als mögliche Mitursache einer MS anerkannt werden können. Das heißt aber nicht, dass derartige Einflüsse bei Menschen mit MS regelmäßig mit Schüben oder Pseudoschüben einhergehen. Der wissenschaftliche Nachweis für einen Zusammenhang steht bei einigen der genannten Faktoren ohnehin noch aus.

Grundsätzlich ist es wahrscheinlich auch berechtigt, Menschen mit einer MS von Extrembelastungen abzuraten. Bislang sind aber keine Verhaltensweisen oder Maßnahmen bekannt, mit denen neue Schübe mit Sicherheit verhindert werden können und dies gilt auch für das Meiden von Belastungen. Sinnvoll ist eine möglichst normale Lebensführung nach dem Motto »Soviel Belastung wie nötig, aber sowenig Belastung wie möglich«. Weil es Hinweise darauf gibt, dass sowohl bakterielle als auch virale Entzündungen schubauslösend sein können, macht es Sinn, das entsprechende Risiko durch eine gute körperliche Hygiene so gering wie möglich zu halten. Beispielsweise ist von ganz einfachen Maßnahmen wie einem regelmäßigen Händewaschen bekannt, dass dadurch das Risiko einer Ansteckung bei Grippewellen deutlich vermindert werden kann.