Als neurologischer Status oder kurz Neurostatus wird der Befund der körperlichen neurologischen Untersuchung bezeichnet. Er entspricht auf neurologischem Fachgebiet dem körperlichen Untersuchungsbefund des Allgemeinarztes oder Internisten, der auch als Allgemeinstatus oder internistischer Status bezeichnet wird. Von vielen Ärzten wird der neurologische Status anhand eines Untersuchungsbogens erhoben, der Normalbefunde vorgibt und Platz lässt für die Eintragung krankhafter Abweichungen.
Ein großer Nachteil des Neurostatus bei einem Verdacht auf MS besteht darin, dass er Veränderungen wie beispielsweise ein durch abnorm rasche Ermüdung eintretendes Nachlassen der Kraft oder auch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen normalerweise nicht erfasst. Dies deswegen, weil zum Beispiel nur kurz geprüft wird, ob die Arme und Beine im Liegen auf beiden Seiten gleich hochgehoben und gehalten werden können, nicht aber, ob zum Beispiel in einem Treppenhaus rasch drei oder noch mehr Etagen heraufgegangen werden kann.
Auch bei Beginn einer MS häufige Gefühlsstörungen müssen nicht zu »Ausfällen« führen, die der Arzt mit einem Wattebausch oder einer Nadel in dem entsprechenden Hautgebiet nachweisen kann. Ebensowenig werden bei einer normalen neurologischen Untersuchung neuropsychologische Tests durchgeführt. All dies kann dazu führen, dass Beschwerden voreilig als »funktionell« oder psychisch bedingt eingeordnet werden.

Es ist nach wie vor beeindruckend, dass mit der einfachen – und abgesehen vom Zeitaufwand und der Denkleistung des Untersuchers keinerlei Kosten verursachenden – körperlichen Untersuchung oft sehr genaue Hinweise auf den Ort einer Schädigung des Nervensystems zu erheben sind. Dennoch muss man sich gerade bei einer beginnenden MS Über die Grenzen der Aussagekraft einer körperlichen Untersuchung im Klaren sein.

Subjektiv empfundene Krankheitszeichen lassen sich nicht immer durch Untersuchungen objektivieren; dies ändert aber nichts daran, dass sie vorhanden sind. Viele Betroffene merken und wissen schon lange ganz genau, dass etwas in ihrem Nervensystem zumindest zeitweise nicht richtig funktioniert, ohne dass dies aber bei einer – durchaus sorgfältigen – klinisch-neurologischen Untersuchung auffallen muss. Manchmal fühlen sich Neuerkrankte dann lange Zeit ziemlich verunsichert oder auch nicht ausreichend ernst genommen.

Einige Beispiele für bei der neurologischen Untersuchung meist fassbare Untersuchungsbefunde bei MS sollen nachfolgend in alphabetischer Reihenfolge kurz erläutert werden:

Afferente Pupillenstörung: auf einem Auge auf grund einer Sehnervenentzündung verminderte Lichtwahrnehmung und entsprechend abgeschwächte Reaktion der Pupille im Vergleich zur Gegenseite bei Beleuchtung. Dies kann man dadurch feststellen, dass man eine helle Taschenlampe abwechselnd kurz vor beide Augen hält, wonach es auf der betroffenen Seite zu einer verlangsamten und abgeschwächten Verengung der Pupille kommt.
Ataxie: Störung des Bewegungsablaufs bzw. der Abstimmung von Körperbewegungen zu einem geordneten Zusammenwirken der Muskulatur . Es kommt zu einem_ Unvermögen zu sitzen (Rumpfataxie) oder zielgerichtete Körperbewegungen wie Gehen (Gangataxie), Stehen (Standataxie), Greifen oder Zeigen (Zeigeataxie) fein abzustimmen.
Babinski-Zeichen: besteht in einem Strecken der Grosszehe nach oben-anstelle normalerweise nach unten-bei Bestreichen der seitlichen Fussohle, häufig mit gleichzeitigem Spreizen der übrigen Zehen gehört zu den Zeichen einer sogenannten Pyramidenbahnschädigung.
Doppelbilder: Sehstörung mitzwei ineinander übergehenden, nebeneinander, übereinander oder schräg versetzt stehenden Seheindrücken.Dies wird bei einer MS meist durch eine Störung im Hirnstamm hervorgerufen, gelegentlich auch durch eine Schädigung der für die Augen zuständigen Hirnnerven.
Dysarthrie: Sprechstörung durch Lähmung oder gestörtes Zusammenwirken der Zunge und sonstigen Sprechmuskulatur mit undeutlichem oder auch abgehacktem Sprechen.
Dysästhesien: “Verfälschte” oder unangehme und mitunter schmerzhafte Wahrnemung von Berührungs- oder Temperaturreizen.
Hypästhesie: Verminderte Berührungsempfindlichkeit und/oder verminderte Schmerzempfindlichkeit umschriebener Körperabschnitte.
Hyperphatie: vermehrte Berührungs- und Schmerzempfindung; schon leichteste Berührungen können als sehr unangenehm empfunden werden und brennende Schmerzen auslösen.; diese setzen meist erst einige Sekunden nach dem Reiz ein, können sich auch nach Beendigung des Reizes noch verstärken und ausbreiten und klingen erst allmählich wieder ab.
Lhermitte-Zeichen: elektrisierende oder kribbelnde, vom Nacken in Arme und/oder über die Wirbelsäule in die Beine ausstrahlende Missempfindungen bei kräftiger Vorwärtsneigung des Kopfes auf die Brust.
Pallhypästhesie: mit einer Stimmgabel überprüftes, vermindertes Vibrationsempfinden an den Knochen des Fuß- oder Handgelenks.
Paraspastik: unwillkürlich hervorgerufene, »federnd« erhöhte Muskelspannung, ein- oder beidseits, insbesondere bei rascher Bewegung; in den Beinen meist deutlicher als in den Armen.
Paresen: Lähmungserscheinungen, die verschiedene Muskeln ein­oder beidseits betreffen können).
Reflexabschwächung: abnorm schwach auslösbare Reflexe; für die sogenannten Muskeleigenreflexe bei MS ungewöhnlich, für die so genannten Fremdreflexe wie z. B. die Bauchhautreflexe (Fehlen der normalen reflektorischen Anspannung der Bauchmuskulatur beim Bestreichen der Bauchhaut) hingegen häufig.
Reflexsteigerung: abnorm lebhafte, gesteigert auslösbare Muskelei­genreflexe (z. B. Patellarsehnen- oder Achillessehnen-Reflex), was sich auch durch ein als Klonus bezeichnetes rhythmisches Zittern des Fußes beim Auftreten äußern kann.
Spastik ist eine Verknüpfung mehrerer Zeichen:
- Lähmung aufgrund einer Schädigung im Zentralnervensystem,
- federnd erhöhte Muskelspannung (»Tonus«),
- abnorm gesteigerte Muskel-Eigen-Reflexe (MER),
- sonstige so genannte Pyramidenbahnzeichen wie »positiver Babinski« oder »erloschene« Bauchhautreflexe.
Tetraspastik: unwillkürlich hervorgerufene, »federnd« erhöhte Muskelspannung in den Armen und (meist deutlicher) Beinen beidseits,insbesondere bei rascher Bewegung.
Visusreduktion: Verminderung der Sehkraft oder Sehleistung; wird in Beziehung zur Sehleistung eines gesunden Auges ausgedrückt (2/20 bedeutet, dass etwas aus 2 Meter Entfernung erkannt wird, was normalerweise aus 20 Meter Entfernung erkannt wird (zum so genannten Zentralskotom als häufiger Sehstörung bei MS .