Die Krankengymnastik ist ein wesentlicher Teil der MS-Behandlung. Sie hilft einerseits die Rückbildung von Ausfällen zu beschleunigen, andererseits können verbliebene Störungen durch Training der Willkürfunktion oder von ausgleichenden Mechanismen verbessert werden. Dadurch kann es auch bei schwerwiegenden Funktionsstörungen noch zu erstaunlichen Besserungen kommen.
Je nach Art der Störung können verschiedene krankengymnastische Behandlungsverfahren zum Einsatz kommen. Es gibt keine Form der Krankengymnastik, die prinzipiell für alle Menschen mit MS geeignet ist, sondern diese muss jeweils in Abhängigkeit von den vorliegenden Störungen auf jeden einzelnen Betroffenen abgestimmt werden.
Gegen die häufige Spastik stehen die Methode nach Bobath oder davon abgeleitete Techniken zur Verfügung. Daneben kommt vor allem die so genannte propriozeptive neuromuskuläre Fazilitierung (PNF) nach Kabat zur Anwendung, und bei der aus der Kinderneurologie entwickelten Methode nach Vojta wird versucht, über gezielte Druckreize Bewegungsmuster zu bahnen und Bewegungsabläufe zu verbessern. Schließlich steht für manche Betroffene ergänzend die Hippotherapie zur Verfügung, eine Form der Physiotherapie mithilfe von Kleinpferden.
Bei Blasenentleerungsstörungen ist ein spezielles Beckenbodentraining (Automatismus-Förderung oder bei Inkontinenz Blasentraining) günstig.
Bei Trigeminusneuralgien kann in Ergänzung zur medikamentösen Behandlung eine Reizstromtherapie mit diadynamischen Strömen (schmerzlindernde Stromform, die zu keiner Muskelzuckung führt) am Nervenstamm versucht werden. Ansonsten ist jedoch von Reizstromtherapien abzuraten.
Bei spinalen Automatismen (vor allem nachts auftretende unwillkürliche Ruckbewegungen der Beine) ist eine Verminderung der Häufigkeit und Intensität durch spezielle Lagerung möglich. Wichtig ist, dass die Behandlung möglichst durch Krankengymnastinnen und Krankengymnasten durchgeführt wird, die die speziellen Techniken erlernt haben.
Ergänzende physikalische Behandlungsmethoden sind die Eisbehandlung, die vor allem bei schmerzhaften spastischen Muskelkontraktionen eingesetzt werden kann, und Bewegungsübungen im Wasser, die durch teilweise Ausschaltung der Schwerkraft die Bewegung einer gelähmten Extremität erleichtern. Die Wassertemperatur sollte dabei nicht zu hoch sein.
Bei einem Schub sollte so früh wie möglich und so lange wie nötig krankengymnastisch behandelt werden. Dabei ist zu Beginn jedoch vor Überanstrengungen zu warnen. Durch ein falsch verstandenes Zuviel ist eine frühzeitige Erschöpfung möglich und es kann zu einer Funktionsverschlechterung kommen. Zusammen mit der Krankengymnastin sollte ein Plan erstellt werden, der Art und Dauer der Übungen festlegt und sie dem Leistungsvermögen beziehungsweise den Bedürfnissen der Betroffenen anpasst.
Da die Krankengymnastik meist zeitlich begrenzt ist, sollte der Patient (und auch seine Angehörigen) Übungen erlernen, die er zu Hause selbstständig oder auch mithilfe des Partners durchführen kann. Dafür stehen zwar auch Bücher mit entsprechenden Anleitungen zur Verfügung , vorzuziehen ist aber in jedem Fall die Anleitung beziehungsweise zumindest Absprache mit einer Fachkraft.
Die Krankengymnastik kann durch Medikamente wie Antispastika oder physikalische Maßnahmen wie Sonodynator-Anwendungen unterstützt werden. Von rein passiven physikalischen Anwendungen ist abzuraten, weil sie für den Bewegungsablaufkeinen Trainingseffekt haben. Gleiches gilt für (noch) nicht erforderliche »Hilfsmittel«: Schienen, Gehstützen oder ein noch nicht unbedingt erforderlicher Rollstuhl erleichtern zwar kurzfristig die Fortbewegung des Betroffenen, führen jedoch auf lange Sicht zu einer Verschlechterung der Funktionen.
Massagen sind ebenso wie eine elektrische Reizung selten von Nutzen, bei Spastik können sie sogar zu einer Zunahme führen und sollten daher vermieden werden. Gleiches gilt für Übungsgeräte, mit denen gleich bleibende Bewegungsabläufe wie zum Beispiel Radfahrbewegungen eintrainiert werden.